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1. Februar 2024

«Verwurzelt und suchend»

Harmonie oder Kampf

Schon als Kind wollte ich Jesus nachfolgen. Und heute noch kenne ich nichts Schöneres als in Gemeinschaft von Suchenden und Glaubenden mitein­ander vorwärts zu gehen, verwurzelt im Wissen, dass wir Menschen einen Gott haben, der uns liebt und an jedem interessiert ist. Ich wuchs sehr behütet auf und bin auch von meinem Naturell her harmoniebedürftig – gepaart allerdings mit einer versteckten kämpferischen Ader. Diese wird dann sichtbar, wenn ich Ungerechtigkeiten beobachte.
Seit Kindheit habe ich gleichgeschlechtlich empfunden. Ich spürte aber bald, dass dies ein Lebensbereich ist, den ich in meinem Umfeld besser nicht thematisiere. Erst als junger Erwachsener habe ich mich in meinem engsten Umfeld geoutet.
Dass ausgerechnet ich, der ich in der Schulzeit beim Sport immer darauf geachtet hatte, nicht aufzufallen, dann mit fünfzig plötzlich mit Ringen und mit sechzig gar noch mit Brazilian Jiu Jitsu und Boxen angefangen habe, hätte wohl niemand vorausgesagt. Verbindliches Füreinander und miteinander zu kämpfen – kann ich nicht mehr als Gegensatz sehen.

Gemeinschaftstyp oder Einzelkämpfer

Ich war zwanzig Jahre verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Meine Familie, der Beruf als Zivilstandsbeamter, Verwandtschaft, Kirche und Kame­radschaft (z.B. auf Skitouren) möchte ich nicht missen. Ich bin aber häufig auch allein in den Bergen oder auf Reisen unterwegs und wohne auch alleine.
Ich bin evangelikal-freikirchlich geprägt und besuche an meinem Wohnort nebst der Regenbogenkirche noch eine weitere lebendige Gemeinde. Gerade als schwuler Mann bin ich aber dort kritisch, wo Gemeinschaft aus Unverständnis statt lebensfördernd einengend verstanden wird (nicht Unverständnis gegenüber dem Bösen, aber gegenüber der persönlichen Identität). Denn dadurch wird Menschen, die nicht ins Raster passen, die Gottesbeziehung er­schwert.

Kirche als Heimat

Interessant finde ich, wie es der Regenbogenkirche gelingt, dass mir eine schlichte Liturgie mit viel Bibelwort, Gebet, Predigt, Musik, Gesang, Fürbitten und Abendmahl hilft, mich innerlich auf Christus zu fokussieren und mein Leben Gott anzuvertrauen. Mutmachende Impulse helfen mit, Lebensprobleme zu lösen oder miteinander zu tragen. Toll, wie die Gemeinschaft beim anschliessenden Imbiss die gegenseitigen Beziehungen zwischen Alt und Jung, unterschiedlicher Herkunft, Identität und Ausrichtung fördert. Auch vom Angebot der Seelsorge wird rege Gebrauch gemacht.
Ein Hauptgrund, weshalb mir die Regenbogenkirche am Herzen liegt: Viele Menschen aus der Regenbogen-Community haben in der Vergangenheit in christlichen Kreisen Unverständnis erfahren, mussten mit Ablehnung umgehen oder wurden zu fragwürdigen Experimenten wie Umpolung oder Zölibat eingeladen, was irgendwann zu Resignation führte oder in Suchtverhalten mündete. Hier werde ich stattdessen so angenommen, wie Christus mich an­genommen hat, und in meiner Identität gestärkt und wo gewünscht auch begleitet und in der Nachfolge Christi unterstützt.

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